Leipziger Verlag nimmt „Angst, Politik, Zivilcourage“ aus dem Programm

Die Evangelische Verlagsanstalt zeiht den Band „Angst, Politik, Zivilcourage“ zurück. Die Vorwürfe des Antisemitismus „sind voll und ganz nachvollziehbar“, sagt Geschäftsführer Sebastian Knöfel.

Die in Leipzig beheimatete Evangelische Verlagsanstalt (EVA) hat das Buch „Angst, Politik, Zivilcourage“ wegen demokratiefeindlicher und antisemitischer Aussagen vom Markt genommen. In der evangelischen Zeitschrift „Zeitzeichen“ hatten die Theologen Kristin Merle und Hans-Ulrich Probst den Band kritisiert, der „eine erste sachlich-kritische Aufarbeitung der Corona-Maßnahme-Politik“ sein wolle. Das „in vielen Beiträgen skizzierte Bild von Medien und Meinungsfreiheit“ trage „desaströse Züge“.

Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) als Mehrheitsgesellschafter des Leipziger Verlages sagte dem Evangelischen Pressedienst, die beiden Theologen hätten sorgfältig belegt, dass wesentliche Passagen des Buches demokratiefeindliche, geschichtsrevisionistische, verschwörungsideologische und antisemitische Narrative bedienen. Zweiter Gesellschafter ist die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM). „Die EKM teilt unser Bedauern“, heißt es in der GEP-Mitteilung. Es gebe „Passagen in dem Buch, die keinen Zweifel lassen, dass sie weder mit den publizistischen Standards der evangelischen Publizistik vereinbar noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind“.

„Zutiefst antisemitische Aussage“

Das gelte ganz besonders für eine „zutiefst antisemitische Aussage“ in einem Text von Heimo Schwilk, in dem die Angehörigen der Opfer der Terroranschläge bei den Olympischen Spielen 1972 auf menschenverachtende Weise diffamiert würden. Schwilk schreibt, „die hochmoralische Bundesrepublik“ solle „an immer mehr Länder Reparationen für lange zurückliegende Kriegszerstörungen bezahlen. „Das schlechte Gewissen lässt sich nämlich auch anzapfen. Wie das geht, haben uns die Erben der israelischen Opfer der Olympischen Spiele von München 1972 perfekt vorgeführt. Aber schon stehen andere Länder Schlange.“

Die Publikation wurde von Thomas A. Seidel und Sebastian Kleinschmidt im Auftrag der Evangelischen Bruderschaft St.-Georgs-Orden herausgegeben und erscheint in der Georgiana-Reihe der EVA. „Das Programm der Evangelischen Verlagsanstalt umfasst über 60 Reihen vor allem im Bereich der theologischen Fachliteratur“ , erklärt EVA-Geschäftsführer Sebastian Knöfel auf LVZ-Nachfrage.

„Wir sehen wir uns zum Handeln gezwungen“, sagt Sebastian Knöfel

Themen und Inhalte der Reihen würden von den Herausgebern entwickelt und festgelegt. „Im vorliegenden Fall hätten hier jedoch konkrete Beiträge, die einer Tagung vom Oktober 2022 in Erfurt entstammen und gegen Grundsätze der evangelischen Publizistik verstoßen, zurückgewiesen werden müssen“, so Knöfel. Denn „demokratiefeindliche Positionen haben in der evangelischen Publizistik keinen Platz, das ist eine der Grundlagen unserer verlegerischen Arbeit“. Sofern darüber mit den Herausgebern keine Einigkeit erzielt werden könne, wäre eine Absage die richtige Entscheidung gewesen. „Dass dies im konkreten Fall nicht geschehen ist, war ein Fehler, den wir sehr bedauern.“

Erfahren hat der Geschäftsführer von den Vorwürfen aus der Zeitschrift „Zeitzeichen“. Für ihn sind sie gegen konkrete Beiträge des Bandes „voll und ganz nachvollziehbar“. Auch wenn „mit der Einstufung einzelner Textpassagen als Überschreitung roter Linien zum jetzigen Zeitpunkt“ keine Bewertung der übrigen Texte im Buch verbunden sei, „sehen wir uns zum Handeln gezwungen“, sagt Sebastian Knöfel.